Love is in the Air

Liebe liegt in der Luft: manchmal leise, manchmal laut. Als Streetphotograph sehe ich es als meine Aufgabe, diese Momente einzufangen, bevor sie verfliegen. Sie sind ein Gegenentwurf zur Anonymität, ein Innehalten im Strom der Bewegung. Und vielleicht, ganz vielleicht, ein kleiner Beweis dafür, dass uns die Menschlichkeit nicht verloren gegangen ist.

Dieses Bild entstand in der Nähe einer S-Bahn-Station. Ich hatte die Idee schon länger im Kopf: ein verliebtes Paar, eingefangen im Lichtkegel eines großen Lichtschachts, während hinter ihnen das rastlose Leben der Stadt in Bewegung verschwimmt. Als ich die beiden entdeckte, sprach ich sie gezielt an. Ihre Körperhaltung, ihre Nähe zueinander: das war genau das, was ich suchte. Ich führte sie an die Stelle, an der das Licht präzise fiel. Ein klar definierter, fast theatralischer Spot auf dem Boden. Ich erklärte dem Paar meine Idee und bat sie, für einen kurzen Moment still zu stehen. Mit einer Langzeitbelichtung ließ ich den Hintergrund verschwimmen. Die vorbeifahrenden Straßenbahnen lösten sich in Bewegung auf, zogen helle Schleier durch das Bild. Doch das Paar blieb scharf, klar, still. Ein Kontrast zwischen Rasanz und Ruhe, zwischen anonymer Stadt und Intimität. Es ging mir darum, ein Gefühl sichtbar zu machen: dass Liebe selbst inmitten urbaner Hektik einen eigenen Raum schafft: wenn man hinschaut und diesen Raum bewusst gestaltet.

Liebe ist mehr als ein Kuss

Wenn wir an Liebe im öffentlichen Raum denken, fallen uns vielleicht zuerst Paare ein, die sich umarmen oder küssen. Doch Liebe hat viele Gesichter. Ich sehe sie auch im Blick einer Mutter, die ihr Kind auf dem Arm trägt, in der Fürsorge zweier älterer Menschen, die sich gegenseitig stützen, oder in der Geste, wenn jemand einem Fremden die Tür aufhält – ganz ohne Erwartung.

Streetphotography lebt von der Beobachtung. Von der Fähigkeit, im scheinbar Banalen das Besondere zu erkennen. Wenn ich durch die Straßen ziehe, versuche ich nicht nach der spektakulärsten Szene zu jagen, sondern offen zu bleiben für das, was sich zeigt. Und immer wieder ist es Liebe, die sich wie ein leiser Unterton durch die urbane Kulisse zieht.

Zwischen Nähe und Distanz

Liebe im öffentlichen Raum ist auch ein Spiel mit Grenzen. Was zeigen wir? Was verbergen wir? Was geschieht im Schutz der Anonymität der Großstadt. Und was trauen sich Menschen nur dort, wo sie glauben, unbeobachtet zu sein?

In meinen Fotografien versuche ich, diese Spannung einzufangen. Es geht nicht um das voyeuristische Beobachten, sondern um das ehrliche Interesse am Menschen. Um Empathie. Um Respekt. Und um die stille Anerkennung dessen, was Liebe im Alltag bedeutet – gerade dort, wo sie nicht inszeniert, sondern gelebt wird.