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Heute nehme ich euch zu einem der vergangenen Fotojobs mit. Normalerweise zeige ich hier auf meinem Blog keine klassischen Fotoreportagen von Familien oder Pärchen. Aber dieses mal sollte der Look&Feel etwas anders werden als sonst. Klassische Reportagen sind mit 35mm am Vollformat auch schon nah dran, 24mm ist aber nochmal was ganz anderes, und erfordert auch Sorgfalt bei der Bildgestaltung. Wenn man da schlampig wird, und Personen zu weit an die Ränder oder ecken platziert hat man schnell mit Alienköpfen oder Spaghetti-Armen zu kämpfen. Doch dazu später mehr.
Dieses berühmte Zitat wird oft missverstanden. Gemeint ist hier nicht zwingend die Physische Nähe zum zu fotografierenden, sondern die emotionale Nähe. Dennoch benötigt man besonders in der Straßen und Reportagefotografie eben auch die tatsächliche Nähe damit man sich als Betrachter als Teil der Szene und einfach “Mittendrin” fühlt. Das schafft am Ende meist auch emotionale Nähe.
Der Anfang
Wenn ich eine Familie Portraitiere und somit das Privileg habe, sie einige Stunden mit meiner Kamera begleiten zu dürfen, ist das immer wieder eine tolle Erfahrung für mich. Obwohl es jedes Mal anders ist, und ich versuche immer neue Bildideen auch spontan umzusetzen, gibt es dennoch ein grobes Konzept und ein Grundgerüst, das ich mir mit der Zeit erarbeitet habe.
Dazu zählt, dass ich gleich am Anfang versuche das/die Kinder einzubinden. Meist lasse ich mir das Kinderzimmer zeigen, und spätestens jetzt tauen die Kinder auf: wenn sie mir stolz ihre Lieblingsspielzeuge in die Kamera halten. Hier beginne ich dann auch schon gleich mit den ersten Bildern. Die Kinder merken sofort, dass ich mich interessiere, und die wichtigste Hürde ist erledigt: Schlechte Laune bei den Kids kann wie wir wissen das Ende eine Shootings bedeuten, noch bevor es richtig los geht.
Das Besondere
Nah Dran, und dennoch viel Zeigen: dank der großen Offenblende von 1.4 ist der Schärfebereich schön klein, und das Auge des Betrachters fokussiert aufs wesentliche. So eine Szene hatte ich bereits vorher im Kopf, und ich wollte sie genau so zeigen. Mit 35 oder 50mm hätte ich viel weiter weg gehen müssen. Das ist gerade in kleineren Räumen meist nicht möglich. Ein Standartzoom, was ja auch bei 24mm beginnt ist sehr viel Lichtschwächer. Ein so klares Freistellen wäre hier unmöglich gewesen.
Ab nach Draußen oder ins Wohnzimmer: Ist das Eis gebrochen, kann die nächsten Stunden eigentlich nichts mehr schief gehen.
Details & Storytelling
Auch das Fotografieren beim Locationwechsel gehört dazu. Schließlich soll ja eine kleine Reportage entstehen, und diese Bilder lockern die Bildstrecke beim Durchblättern auf.
Wichtig! Wenn man so nah dran ist: Person fast mittig positionieren und die mittlere Achse Kamera leicht über den Kopf positionieren. Damit verhindert man zu starke Verzeichnungen, z.B. unschön verformte Gesichter.
Wenn man sich als Fotograf eine perfekte Uhrzeit für ein Shooting wünschen darf, so wird bei jedem die Zeit rund um den Sonnenuntergang Favorisiert sein. Das funktioniert aber aus den verschiedensten Gründen nur in den seltensten Fällen. An dem Tag hatte ich mit hartem Gegenlicht zu kämpfen. Zum Glück ermöglichen gerade bei Sony die modernen Sensoren in den Kameras, die Bilder so anzupassen das schwierige Lichtsituationen keine Probleme darstellen.
Inszenierte Fotografie
An der Ziellocation angekommen, gehts nun endlich richtig los. Ich versuche bei meinen Bildern sehr viel mit Bewegung zu arbeiten, da sich hier die Personen garnicht erst unnatürlich verhalten können. Zu viele Posen ermüden außerdem die “Models”. Dennoch sollte man immer wieder ruhige Momente schaffen und Bilder wie diese “inszenieren”
Was ich mir immer wieder gesagt habe: geh lieber nochmal ein Stück zurück und zeig damit mehr von der Umgebung. 24mm Objektive sind kein Portraitobjektive! Wenn man das beherzigt, dann gibts keine Probleme mit Verzeichnungen in Gesichtern oder anderen Körperteilen.
Spontanität
Habt spaß, macht quatsch, bleibt in Bewegung und sorgt dafür, dass die Stunden wie im Flug vergehen! Am Besten ihr überlegt euch vorher schon einige Zielbilder und nehmt dafür Utensilien mit. Luftballons, Picknickdecke, Musikinstrumente oder Kartenspiele. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten. Aber auch hier gilt: plant nicht Zuviel und lasst raum für spontane Ideen. Nicht alles ist Planbar. Auch dinge wie Blumen oder gemähtes Gras kann man immer wieder mit einbauen.
An dieser Stelle nochmal vielen Dank an die Familie D., das ich die Bilder aus dem Shooting hier zeigen darf. Ich konnte wirklich viele tolle Momente einfangen, und ich fands echt schwer mich auf ein paar Bilder für diesen Blogpost zu limitieren.
Technik: Meilensteine der Reportagefotografie
Der Wechsel der Standart-Brennweiten in der Reportagefotografie hängt gerade in den letzten Jahrzehnten immer wieder eng mit dem Fortschritt in der Objektivkonstruktion zusammen. So galt noch bis in die 2010er Jahre das 50Millimeter als DIE Standartlinse für die Hochzeits und Dokumentarfotografie. Die Konstruktion eines guten 50érs ist bei weitem nicht so komplex und aufwendig wie bei weitwinkligeren Brennweiten. Hier zeige ich einige aus meiner Sicht Wegweisende Klassiker der Reportagefotografie aus den letzten 10 Jahren.
2012 I Sigma 35mmF1.4 ART Sigma brachte 2009 das erste 35mmObjektiv der neu gegründeten ART-Serie heraus, und sorgte damit für eine Sensation. Noch kein 35ér mit Af, performte schon bei offenblende so gut. Abblenden musste man aus Schärfegründen nicht. Auch wenn heutige Objektive in Sachen Kontrast und Details nochmal ne Schippe drauflegen können: Damals wollte jeder der auch nur irgendwas mit Reportage zu tun hatte, diese Lichtstarke Linse. Auch beim Preis konnte Sigma Punkten. Der lag deutlich unter dem der Pendants von Canon, Nikon und Co. Viele ließen ihre 50ér Objektive zuhause und packten stattdessen Sigmas 35er in den Fotorucksack.
2015 I Vollformatkamera Leica “Q “ 28mm Leica sorgte mit der Veröffentlichung der “Q” 2014 für Überraschung. Die Kamera mit fest verbautem, Lichtstarkem 28mmF1.7 objektiv am Vollformatsensor, findet trotz des hohen Preises bei den Street und Dokumentarfotografen überraschend viele Käufer. Auch Heute sind die Sozialen Netzwerke voll mit Fotografen, die ihre Follower mitnehmen, um ihnen zu zeigen wie sie mit der Q und somit “nur” 28mm ganze Reportagestrecken wie z.B. Hochzeiten Fotografieren. Bereits 2013 entschieden sich gleich mehrere Hersteller ebenfalls Kameras mit fest verbautem 28ér zu entwickeln, allerdings mit einem kleineren Sensor im APSC-Format. So Veröffentlichte Ricoh mit der “GR” DIE Streetphotography-Kamera schlechthin.
2018 I Sony 24mmF1.4GMaster Vor knapp 3 Jahren veröffentlichte Sony ihr erstes 24mm der GMaster Serie, und legten die Qualitative Messlatte bis heute nochmal ein ganzes Stück höher. Kein AF-Objektiv dieser Brennweite war bisher so kompakt, leicht lichtstark und zeigt quasi keine schwächen.
Es scheint sich der Trend der letzten Jahre, Reportagen immer weitwinkliger und offenblendiger zu Dokumentieren fortzusetzen. Aber ich denke bei 24mm dürfte auch das Ende im WW Bereich erreicht sein, da sich hier schon wie oben beschrieben für die meisten gestalterische und Physikalische Probleme ergeben können.